Cusiglio, 2510m
Nordwestkante, III +
Die meisten Leser dieser Seite werden, soweit sie nicht über die konkrete Suche im Internet hierher gelangt sind, vom Gipfel "Cusiglio" (Bild links oben, Mitte) noch nie etwas gehört haben. Tatsächlich wirkt er neben seinen riesigen Nachbarn übern San Martino di Castrozza in der Palagruppe eher bescheiden. Doch für sich genommen, ist er eine kühne Zacke mit einer nicht weniger kühnen Nordwestkante, nämlich genau der Kante, die die Bildmitte durchzieht. Sie gilt als Einsteigertour in den Palafels, Grund genug für uns, bei unserem ersten Besuch in dieser Region auch diese Führe zu durchsteigen.
Talort und Ausgangspunkt: San Martino di Castrozza, ca. 1400 m;
Anforderungen: III+ in einer Seillänge, sonst III und II , 8 Seillängen,
Wandhöhe 200 m, Kletterlänge 270 m (mit der 1. Seillänge ca. 320m), Kletterzeit lt. Führer 2,5 Std., wir haben 4 Std. gebraucht;
Der Zustieg: Von der Talstation der Rosetta-Seilbahn dem markierten Weg 701 in Richtung Mittelstation folgen. Bei ca. 1780 hm macht der Weg einen scharfen Linksknick, von vorn rechts kommt hier eine Skipiste (Achtung: falsche Höhenangaben im unten angegebenen Kletterführer!!!) Man verlässt den Weg, folgt der Skipiste ca. 50m und biegt vor einem großen Block nach rechts in ein Bachbett ab und folgt dem anfangs schwach, später gut ausgeprägten Pfad in Richtung des Gipfels. Vor einem deutlichen Aufschwung quert man nach rechts zu einer Höhlung, die den Einstieg vermittelt.
Die Route:
(Klick hier für das Foto oben links mit grobem Tourenverlauf)
1. Seillänge
Ab Höhlung auf schmalen Band nur leicht ansteigen, und um die Kante über ausgetretenes Gelände aufwärts.
ca. 50m, II+ nur am Überhang bei Beginn des Bandes, sonst Gehgelände;
2. Seillänge
Jetzt an der günstigsten Stelle aufwärts - wir sind ziemlich weit rechts vor einer leichten Überdachung durch einen schweren Riss gestiegen, mindestens IV- - aber geht davor auch einfacher. Nun ziemlich direkt aufwärts durch gut griffiges Gelände an der oder schräg in Richtung der Kante.
Stand nach ca. 40m, II,
3. Seillänge
Der Stegrichtung der 2. Seillänge zu einem deutlich erkennbaren Kamin unmittelbar neben der Kante folgen, Stand am oder im Kamin (dort Normalhaken vorhanden)
ca. 40m, II+,
4. Seillänge
Durch den Kamin und über gutes griffiges Plattengelände zur ersten Kantenschulter, der folgen, bis die Kante sich wieder aufstellt.
ca. 45m, III,
5. Seillänge
Die Königsseillänge, denn einfach nur schön!!!
Man folgt jetzt dem steilen plattigen Gelände, das auf den ersten Blick schlimmer aussieht, als es ist und sich einfach nur hervorragend klettert bis zur zweiten Kantenschulter.
ca. 35m, II bis III,
6. Seillänge
Auch von dieser Schulter aus an der Kante weiterklettern, dazu muss man anfangs nach rechts ausqueren - genau so schön wie die Seillänge zuvor. Man macht Stand auf einem kleinen Absatz unterhalb eines auffälligen verschneidungsartigen Kamins links der Kante.
ca. 35m, II bis III,
7. Seillänge
Jetzt durch diesen Kamin (geht sich gut von rechts über die Kante an, dort aber keine Sicherung legen, da sonst unerträgliche Seilreibung) bis man ihn nach rechts zum Grund einer verschneidungsartigen Rinne verlassen kann.
ca. 30m, III bis III+,
8. Seillänge
Durch die verschneidungsartige Rinne unschwer zum Gipfel.
ca. 50m, II+.
Abstieg: Unschön! In den Sextener Dolomiten gäbe es hier mindestens zwei bis drei Abseilhaken!
Man folgt vom Gipfel dem deutlich ausgeprägten Südostgrat ca. 40 Längenmeter, dann trifft man rechts auf das erste "Schmäckerchen", einem ca. 10m hohen Kamin. Den hinab (wir sind an einem Köpfel abgeseilt) und nun in die südostwärts ziehende Rinne hinab. Wir sind an der in Abstiegsrichtung linken Wand einige Meter horizontal, dann zum Rinnengrund abgestiegen (II bis II+). Nach ca, 60 hm kann man die Rinne nach rechts verlassen (Steinmänner) und folgt dem Pfad bis an Ende. Jetzt nicht wundern: dort wo die Steinmänner stehen, geht es abwärts! Man muss ca. 30hm eine fast senkrechte, aber gut gestufte Wand (II) abklettern - wir haben eine Bandschlinge geopfert und sind abgeseilt. Man gelangt auf einen kleinen Sattel und steigt nun links in eine ekelhafte Rinne ab, bis man die nach ca. 80hm links verlassen, um 50hm in die Cusiglioscharte wieder aufzusteigen. (Achtung: nicht in die Südostrinne absteigen, steile Abbrüche!!!)Schweißtreibend! Aus der Scharte abwärts zum Einstieg. Wir haben 1 Std. gebraucht.
Der Abstieg übertrifft das Abenteuer der Kletterei an der Nordwestkante um Längen!
Absicherung: Keine Stand- und Zwischenhaken vorhanden, mit Klemmkeilen, Friends und Bandschlingen aber sehr gut zu sichern. Keine Abseilpiste vorhanden.
Literatur: "Dolomiten vertikal", Band Süd, Stefan Wagenhals & Freunde, ISBN 3-934650-05-8, in Auflage 2, die wir genutzt haben, aber falsche Höhenangabe .- siehe oben - und Topo etwas unklar;
Karte: Tobacco Nr. 022, Pale di San Martino, 1 : 25000 - vor Ort an jedem Kiosk erhältlich,
Unser Team am 18.09.2006: Aldo Bergmann, Steffen Große.
Der Cusiglio sollte unsere erste Berührung mit dem viel gepriesenen guten Palafels werden, praktisch die Eingehtour, und wurde dann aber doch zu einem "interessanten" Abenteuer. Nein, nein, um es gleich vorweg zu nehmen: die Kletterei ist einfach nur schön und unbedingt jedem zu empfehlen, der in der Gegend unterwegs ist und dem eine Tour bis zur dritten Schwierigkeit ausreicht.
Der Zustieg ist allerdings recht steil und schweißtreibend, vor allem, wenn man sich wie wir, erst einmal verläuft. Im unten angegebenen Kletterführer steht, dass man den Weg 701 bei 1870m verlassen soll. Wir also bis dahin. Nur war da weder eine zweite Skipiste noch ein Bachbett. Das alles hatten wir viel tiefer gesehen, nämlich auf 1780m. Aber "führerhörig" wie wir waren ging es blind weiter ... um dann wieder umzukehren.
Der Gipfel selbst ist nicht zu verfehlen, er sticht ins Auge und der Pfad führt direkt dorthin. Nur stimmten die örtlichen Gegebenheiten mit dem Topo nicht so richtig überein. Es war weder von einer Höhlung noch von einem Querband die Rede. Nach langer Suche entschieden wir uns, auf dem Band zu queren (Bild 1 - in der Höhlung), aber das war dann für Andreas Richter, der uns bis dahin begleitet hatte "nichts mehr",. er kehrte um.
Wir aber waren plötzlich in der Tour. Mit ziemlicher Sicherheit haben wir den korrekten Einstieg verfehlt, denn unsere Variante in die Wand zu kommen, war deutlich schwerer als III, aber dann lief es. Bild 2: Steffen am Ende der zweiten Seillänge, Bild 3: ich am Standplatz im Kamin, Ende der drittem Seillänge.
Dann aber geschah genau das, was 2006 zum Bergjahr - zumindest zu meinem - gehört, wie Wasser zur Pfütze: es begann zu regnen. Und so waren die Bilder 4 bis 6, aufgenommen in der 4. und 5. Seillänge vorerst die letzten. Schade, denn dort ist die Kletterei einfach nur schön und genussvoll. Auch meine Befürchtung, dass der Fels wegen der Nässe rutschig und gefährlich werden würde, hatte sich schnell zerschlagen: Palafels ist tatsächlich hervorragend rau und griffig, das Klettern blieb ein Genuss!
Völlig problemlos erreichten wir dann auch nach ca. 4 Stunden Kletterzeit den Gipfel (Bild 7), um dann das Unangenehmste der Tour zu erfahren, den Abstieg.
Oben ist er treffend beschrieben. (Bild 8: Steffen beim Abklettern in die erste große Rinne) Allerdings haben wir nach der 60m-Rinne nicht geglaubt, dass es die steile Wand an den Steinmännern hinunter gehen soll und sind in der Rinne weiter gestiegen. Reden wir mal nicht weiter drüber - es war schnell zu merken, dass das falsch war, wesentlich komplizierter war es, aus der Rinne wieder raus zu kommen. Unter Opferung einer Bandschlinge zum Abseilen ging es dann talwärts und schließlich zwar unangenehm aber erträglich zur Cuglisioscharte. Falls das hier regionale Routensanierer lesen sollten: Am Kamin des Südostgrates und an der steilen Wand zum Grasabsatz wären Abseilringe eine willkommene Erleichterung. denn die Nordwestkante mag eine herausragende Anfängertour sein, der Abstieg hingegen könnte jedem Anfänger das Bergsteigen vergraulen!
Wir jedenfalls erreichten drei Stunden nach dem Gipfelerfolg San Martino, jedoch nicht trocken. Denn während des Abstieges auf der Zustiegsroute ereilte uns ein heftiges Gewitter mit derart starken Regenfällen, dass nichts, aber auch gar nichts an uns und in unsere Rucksäcken trocken geblieben ist.
Fazit: Eine wirklich schöne und genussvolle Kletterei auf hervorragendem Fels, für Anfänger geeignet. Standoplatzbau allerdings muss man beherrschen, der Zustieg und der Rückweg sind lang und steil und der Abstieg vom Gipfel ist unangenehm und schwer.
Aber: wenn wir wieder einmal in der Gegend sind, schreit diese Tour auf jeden Fall nach Wiederholung.