Hexenstein (Sasso di Stria), 2477m
Südkante, (IV+)
Der Hexenstein thront in großartiger unverkennbarer Kulisse unmittelbar über dem Falzaregopass. Sein Gipfel, der auch für den Bergwanderer problemlos über einen leichten teilweise mit Leitern versehenen Aufstieg durch alte Kriegstellungen erreichbar ist, bietet traumhafte Aussichten über die Berge der Dolomiten, von den Cadinispitzen im Norden bis zur Marmolada im Süden.
Die Südkante, eine Kletterei im oberen vierten Grad, zählt zu den Paradetouren der Dolomiten und erfreut sich größter Beliebtheit. Auch wir konnten und wollten daran nicht vorbei!
Und so haben wir am 15. September 2005 eine völlig neue Art des Bergsteigens, das "Bergwarten", erlebt. Äh, gibt es diesen Begriff überhaupt? Jetzt schon!
Talort und Ausgangspunkt: Falzaregopass, 2117m,
Anforderungen: IV+ in der Schlussseillänge, sonst III und IV- , 6 Seillängen, (Die letzte Seillänge kann durch eine ekelhafte schuttige Rinne umgangen werden)
Wandhöhe 160m, Kletterlänge 210m, Kletterzeit lt. Führer 1:45 Std., (länger sind wir auch nicht geklettert, haben aber 4:30 Std. gebraucht ... siehe Bericht!)
Der Zustieg: Vom Falzaregopass ca. 1000m in Richtung Valparolapass fahren und bei einem riesigen Block (wenige Parkmöglichkeiten) parken. Von dort in ca. 30 min auf ausgetretenem Pfad direkt zur Südkante, ca 200 hm, aufsteigen.
1. Seillänge, 25m, III
Zwischen der eigentlichen Südkante und einem östlichen Vorbau zieht eine kaminartige Rinne aufwärts. Der folgt man etwa 25 m bis zum ersten Standplatz am Fuß einer auffälligen Verschneidung.
2. Seillänge, 55m, IV-
Man folgt nun ca. 55 m direkt der Kante bis zu einem Standplatz, von dem man in einen Kamin zwischen der Kante und einer rechts vorgelagerten Platte einsteigen kann. (Auch in zwei kurzen Seillängen zu ersteigen, zusätzlicher Standplatz ist vorhanden)
3. Seillänge, 35m, IV-
Und genau das, nämlich in diesen Kamin einsteigen (Ring), tut man - sehr unangenehm. Aber wenn man den glatten Kamin geschafft hat und auf der Kante der Platte steht, braucht man in einem großen Rechtsbogen nur noch auf die Kante zurück kehren - auf einen regelrecht komfortablen Standplatz mit berauschendem Blick auf die Marmolada.
4. Seillänge, 30m, III
Nun steigt man links der Kante durch eine kaminartige Rinne, bis rechts der vorher nicht erkennbare Durchschlupf durch die Kante erkennbar wird. (vgl. auch Bild 6)
5. Seillänge, 40m, III
Es geht luftig durch den Durchschlupf und über ein schuttiges Band in einen glatten Kamin, den man oben an großem Block rechts verlässt.
6. Seillänge, 25m, IV+
Es folgt die Schlüsselseillänge: ca. 15m geht es einen Riss an einer Schuppe senkrecht auswärts (siehe Bild 9), ehe man über leichtes Gelände den Gipfel erreicht. (Kann rechts durch eine Rinne umgangen werden.)
Abstieg: Völlig problemlos nördlich auf markiertem Steig durch alte Kriegstellungen abwärts zur Passstraße und zurück zum Parkplatz, ca. 45min.
Absicherung: Alle Standhaken und einzelne Zwischenhaken in der 2., 3. und letzten Seillänge sind vorhanden, zahlreiche natürliche Sicherungsmöglichkeiten.
Literatur: Anette Köhler / Norbert Memmel, Kletterführer Dolomiten, Bergverlag Rother, ISBN 3-7633-3015-1 (Auch als Touren-Disk erhältlich, Titel: "Felsenparadies Dolomiten, 106 mal Klettergenuss zwischen III und VII")
"Dolomiten vertikal", Band Nord, Stefan Wagenhals & Freunde, ISBN 3-934650-01-5, - top!
Karte: Kompass, Nr. 617, Cortina d'Ampezzo, ISBN 3-85491-543-8,
Unsere Teams am 15.09.2005: Thomas Herrmann, Steffen Große / Aldo Bergmann, Andreas Richter,
Zwar hatten wir im Kletterführer gelesen, dass die Südkante des Hexensteins eine der beliebtesten Kletterein in den Dolomiten sei, aber als wir uns dem Einstieg näherten, glaubten wir unseren Augen nicht zu trauen! Wie an einer Perlenkette arbeiteten sich zahlreiche Seilschaften an der Kante empor und vor unsere beiden Teams standen noch vier Seilschaften am Einstieg!
Zwei davon waren recht bald in der Wand verschwunden und kamen zügig voran, eine Seilschaft hatte das Warten aufgegeben und sich in einen Klettergarten verabschiedet und die vierte, ein älteres Ehepaar aus Salzburg wollte uns eigentlich vorlassen ...
Doch da hat Thomas unbewusst den Fehler des Tages gemacht! Mit der Begründung, dass wir auch nicht die schnellsten Kletterer seien, ließ er das Paar vor uns einsteigen!
Was dann kam, lässt sich wie folgt zusammenfassen: zehnminütiger Kletterzeit von Standplatz zu Standplatz folgte in der Regel eine 30minütige Wartezeit, bis der nächste Strandplatz von diesem Paar freigemacht wurde. Das hieß warten, warten, warten! Fürchterlich! Aber egal, auch die beiden haben die Tour (ohne Schlusseillänge) gemeistert und konnten das verdiente Gipfelglück genießen.
Und die Kletterei ist tatsächlich so phantastisch, dass uns der Genuss daran nicht zu vermiesen war. Bild 1 gestattet einen kleinen Einblick in den mittleren Teil der Kante. Auf Bild 2 beginnt Thomas die erste Seillänge. Die hat übrigens ganze drei Minuten gedauert und anschließend die längste Wartezeit, eine Stunde, beschert!
Mit der zweiten Seillänge beginnt es dann doch knifflig zu werden. Einer kurzen glatten Verschneidung folgen kleingriffige und leicht überhängende Passagen an der Kante. (Bilder 3 bis 5) Doch die wirklichen Höhepunkte kommen erst in den letzten beiden Seillängen. Vom dritten Standplatz geht es durch eine gut griffige Rinne (Bild 6) zum Durchschlupf
durch die Kante. So hat Thomas auf Bild 7 das luftige Kletterstück bereits hinter sich, während Andreas auf Bild 8, aufgenommen aus der Position Bild 7, noch voll am genießen ist.
Dann muss aber noch einmal richtig zugepackt werden: Bild 9 zeigt die kurze bissige senkrechte Schlussseillänge, die aber mit Haken sehr gut abgesichert ist.
Als Bonus gibt es dann noch ein richtiges Gipfelkreuz und einen sehr bequemen Abstieg auf markiertem Weg, teilweise mit leichten Steiganlagen. (Bilder 10 und 11)
Alles in allem eine Tour, die man unbedingt mitnehmen sollte, wenn man kletternd in der Region des Falzaregopasses unterwegs ist.