Jurasteig-Nonstop-Ultratrail 2015
Ein frühes Aus und ein schnelles Ende
Auf einen sehr sachlichen Bericht über den Jurasteig-Nonstop-Ultratrail auf der Webseite des Bayrischen Rundfunks kommentiert ein sicherlich interessierter und vermutlich sachkundiger Leser unter anderem: „Statt daß de bei dem wunderbaren Wetter ihr Leben genießen, rennens lieber 3 Tag lang durch die Gegend und seng vor lauter Tempo oder vor lauter Erschöpfung gar nix von de vielen schönen alten Häuser und Höf, Kapellerl und Gärten, Wälder und Bachauen, die mir in Ostbayern gottseidank noch ham. A so a Verschwendung! Da kanntens doch glei ihre 240 km in am Hamsterradl laufen. Wenn ma an Generator dranhängt, könnt man damit bestimmt mindestens ein Altersheim oder a mittlers Krankenhaus übers Wochenend mit Strom versorgen. Dann hätt die Rennerei doch wenigstens a bissl an Sinn. …“
Gemeinsam mit Volker Roßberg waren wir bei dieser „Verschwendung“ dabei, haben auf Weißwurscht und Haxl verzichtet und – und haben tatsächlich keine Sekunde verschenkt!
Die Herausforderung ist gewaltig: 170 km mit mehr als 5500 hm in maximal 39 Stunden, und das laufend überwiegend auf schmalen Pfaden und auf Wegen, kaum auf Asphalt! An dieser Herausforderung ändert auch die Tatsache nichts, dass das nur die „kurze“ Variante des JUNUT (Jurasteig-Nonstop-Ultratrail) ist, denn die „Großen“ laufen 239 km mit 7900 hm in maximal 54 Stunden. Endlich relativiert sich mal der so oft missbrauchte Begriff „Bambinilauf“, denn nicht einer der StarterInnen ist „BambiniläuferIn“.
Im Gegenteil: jeder weiß genau, was er hier tut, viele kennen sich, das Umfeld ist schon fast familiär.
Entsprechend entspannt und locker war die Atmosphäre um 9:00 Uhr auf dem Marktplatz des beschaulichen Örtchens Dietfurt an der Altmühl, als der Startschuss fiel. 25 hatten für die 170 km, 92 für die 239 km einen Startplatz erhalten. Später werden 38 das Ziel der 170 km, 33 das der 239 km erreichen, 35 haben das Rennen früher oder später abgebrochen, 11 sind erst gar nicht angetreten. Zahlen, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss, denn sie sagen viel, über das, was einen da erwartet.
Das ist neben der sportlichen Herausforderung die Schönheit der Landschaft entlang des Wanderweges Jurasteig, die mir insbesondere im Donautal vor Kehlheim den Atem verschlagen hat. Dort war dann neben dem virtuell fehlenden Atem allerdings etwas anderes tatsächlich weg: meine Flüssigkeit! Knapp 45 min nicht zu trinken, ist nicht schlimm, war es für mich aber schon. Denn ich bin kein Hitzeläufer. Die plötzlichen Temperaturen über 20 Grad und die brütende Sonne hatten mich auf den ersten beiden Streckenabschnitten schon so richtig ausgesaugt. In Kehlheim am VP 2 nach 51 km ging dann essen nur noch schwer, der Durst ging trotz zahlreicher Getränke nicht weg. Volker hat noch lange auf mich eingeredet, doch gemeinsam weiter zu laufen, dann schließlich hat er sich meiner Bitte gebeugt und ist allein los. Ich war nur noch eine Bremse, musste mich irgendwie erholen, regenerieren.
27 km waren es bis zum nächsten VP in Matting, 27 km, die ich mir hätte ersparen sollen. Als ich dort nach ca. 13 Std. 15 min (km 78,1) eintraf, war Volker lange weiter – ich hatte nicht regeneriert, konnte nichts mehr essen oder trinken, ohne dass es mir postwendend aus dem Gesicht fiel. Dazu Schüttelfrost – die Sonne hatte ihr Werk getan, ich hatte ihr mit einigen kleinen logistischen Fehlern ordentlich Hilfe geleistet. Eine halbe Stunde später habe ich trotz Zuredens und Hilfeangebotes der medizinischen Betreuung vor Ort abgewinkt – hier musste der Verstand siegen, mein Kopf war zu – aus! Ich versuche es, vorausgesetzt ich bekomme einen der begehrten Startplätze, 2016 erneut!
Während ich nun völlig unerwartet keine schlaflose Nacht hatte, war Volker weiter unterwegs. Und als wir tags darauf dann bei km 138 standen und auf ihn warteten, war es fast tränenrührend, als er in der Morgensonne den Umständen entsprechend „quietschvergnügt“ am VP eintraf, voller Feuer und Optimismus. Damit war klar, dass er am Abend das Ziel erreichen würde.
Das Warten hier und an den folgenden Punkten war übrigens alles andere als langweilig, denn immer wieder traf man bekannte, unbekannte – immer aber fröhliche, nette Ultraläufer mit denen man reden, lachen, trösten oder einfach mal Beifall klatschen konnte.
Nach 18 Uhr begann es dann im Ziel der 170-km-Strecke in Kastl langsam in uns zu knistern. Volker konnte nicht mehr weit vom Ziel entfernt sein. Rechnerisch müsste er 18:45 eintreffen, wenn er in ein High verfällt, etwas früher.
Kurz vor halb sieben dann Kerstins Ruf: „Da kommt Volker“! Nach 170 km joggend, als wenn nichts gewesen wäre! Ein Klapps auf die Schulter, freundliche Worte, die letzten Meter gemeinsam mit Kerstin – finished! Nach nur 33 Stunden und 30 Minuten hat er den (kleinen und doch so großen) JUNUT gemeistert! Klasse Volker, das hat alles trotz eigenem Ausfall richtig richtig Spaß gemacht.
Was den bayrischen Kommentator betrifft: Der kennt garantiert noch nicht einmal die Hälfte von dem, was wir „verrückten“ Läufer nun gesehen haben. Denn wir genießen genau so unser Leben und „… de vielen schönen alten Häuser und Höf, Kapellerl und Gärten, Wälder und Bachauen …“ sind es, die unser Herz erfreuen, an denen wir uns aufbauen – und wegen denen wir auch wiederkommen werden – das Hamsterradl wäre uns zu langweilig.
Danke an unser Helferteam Kerstin und Almuth, besonderer Dank aber an die privaten Veranstalter Gerhard Börner und Ehefrau und die vielen Helfer, die uns dieses Lauferlebnis ermöglicht haben.
Hier geht es zu Volkers Bericht Zur Webseite der Veranstaltung
Die von mir gelaufene Teilstrecke (nicht aufgezeichnet, sondern aus dem vorbereiteten Track für die 170 km ausgeschnitten):
Distanz: Kilometer Höhe (min): Meter Höhe (max): Meter