Kann man bei einem Wettkampf 2 x ins Ziel laufen?
Freudestrahlend erreiche ich den Zeitmessbereich, juble, Arme hoch - 128 km, das ist ein neuer persönlicher Rekord bei einem 24-Stundenlauf.
Im Ziel aber sagt Kerstin Roßberg zu mir: "Du läufst doch noch eine Runde, oder!?" Auf meinen Einwand, das nicht bis 10 Uhr zu schaffen, meinte sie: "Peter sagt, jeder, der bis 9:50 Uhr in die Runde geht, wird gewertet!" Ich überlege kurz. Ca. 18 min hätte ich noch bis 24 Stunden, 130 klingt besser als 128 - und laufe wieder los!
Zum vierten Male bin ich beim "Mad Chicken Run" im 24-Stunden-Karussell unterwegs, und bereits drei Berichte und ein Eventvideo gibt es hier auf dieser Webseite zu diesem Thema.
Was also soll man dazu noch schreiben!? Es ist doch irgendwie immer das Gleiche – Runde um Runde geht es vorwärts, irgendwann kommen die körperlichen und mentalen Tiefpunkte, irgendwann ist Schluss mit allem, ein Ergebnis steht!
Ja, genauso ist es, aber in diesem Jahr war es anders. Klar waren da alte Bekannte, Axel Kernig als Beispiel für viele, was für ein angenehmer Zeitgenosse, oder Andreas Staindl, ein toller Gesprächspartner, die Teilchenjäger, viele Starter unseres Leichhardt-Trails und Park-Ultralaufes, und, und, und!
Und Maria T., Tochter meines Kletterfreundes Fechi, die im Vorjahr mit Wiese einige Runden gewandert war und dann meinte: das will ich auch mal probieren. Sie war am Start als absoluter Ultralaufneuling!
Wir bauen unsere Versorgungszelte nebeneinander auf und starten auch gemeinsam. Man, war sie aufgeregt – und voller Feuer! Immer wieder muss ich sie in den ersten Runden bremsen, sie hätte sich zu schnell selbst „fertig gemacht“ und als wir uns nach vielen Kilometern verlieren, ist sie gut und mit der erforderlichen Ruhe im Rennen.
Ich auch! Ich hatte mir vorgenommen etwa so anzugehen, wie beim Auenseelauf in Leipzig. Das ist zwar recht schnell, aber dann wären gleich mal 50 km weg. Der Plan geht auf. Die ersten 50 km gehen in ca. 6:30 Std. über die Bühne, hochgerechnet 192 km – ich muss innerlich lachen, klar geht das (zumindest bei meinem Leistungsvermögen) nicht, aber der Gedanke ist schön!
Nach 80 km beginnt es „komisch“ zu werden, nach 90 km und ca. 14:30 Stunden, bin ich „breit“. Ich habe die Schnauze voll, will nach Hause, ins Bett.
Naja, so einfach geht das nicht, denn dazu muss ich am besten OWCT*) der Welt, Almuth, vorbei.
Sie ist knallhart! „Du hast voriges Jahr gesagt, du machts das nicht mehr, jetzt bist du hier, also zieh das durch!“
Schlaf ordnet sie an, aber nix mit nach Hause und Bett!
Kurz vor 2 Uhr klingelt der Wecker, ich öffne die Augen – verdammt, ich liege im Auto!!!
Insider wissen, wie es jetzt ist – sch… kalt! Ich mummele mich an, esse etwas, trinke, dann gehe ich, begleitet von Almuth, langsam auf die nächsten Runden.
Später renne und gehe ich wieder allein durch die Nacht, treffe im Zeitmess- und Versorgungsbereich irgendwann auf Maria, die jubelnd schreit: „100 km“. Ich freue mich riesig für sie, das hatte ich geahnt und ihr sogar mögliche 120 km prophezeit, die sie schließlich tatsächlich auch schaffden wird.
Dann geht die Sonne auf, ich bin nur noch gehend unterwegs, aber komme gut gelaunt voran. Es macht Spaß, und zwar richtig.
Und dann ist es nach 9 Uhr, ich kündige Almuth an, in die letzte Runde zu gehen, schalte, das Hörbuch, das ich seit ca. zwei Stunde auf den Kopfhörern hatte, ab und lege mir eine richtige Rammstein-Mucke auf. Irre, wie es sich nach dieser Musik läuft!
Almuth empfängt mich ca. 200 m vor der Ziellinie, filmt das Finale, ich juble und dann – dann Kerstin!
Ich laufe also wieder los, starte die Musik neu und denke: wenn ich jetzt tatsächlich nochmal loslaufe, dann lasse ich mich nicht lumpen, dann bin ich auch vor 24-Stunden im Ziel!
Ich renne gefühlt wie ein Irrer! Unbeschreiblich, in was für einem High ich da war, ruckizucki war ich rum, meine letzte Runde war eine meiner schnellsten, wenige Minuten vor 24 Stunden laufe ich zum zweiten Male ins Ziel, werde hier wie jeder, der jetzt das Rennen beendet, vom Organisator Peter Buschack persönlich empfangen.
Mein Mad-Chicken-Run 2025 war mit 130 km (133,4 km auf der Uhr, die Runde ist ca. 40 m länger als 2 km) mein bester, mit dem ganzen Drumherum der wohl schönste – und damit ist nun wohl wirklich der Moment gekommen, Adieu zu diesem großartigen Event zu sagen!
Denn bekanntlich soll man aufhören, wenn es am schönsten ist!
*) One-Woman-Catering-Team, eine Schöpfung für Almuth von Volker Rossberg


Kann man bei einem Wettkampf 2 x ins Ziel laufen?